28. September 2015, 06:59 Uhr Syrien-Krieg
- Seit Wladimir Putin 2012 wieder Präsident in Russland ist, hat sich das Verhältnis zwischen Moskau und Washington erheblich verschlechtert.
- Putin sieht in der Syrien-Krise eine Chance, um die Isolation, in die ihn seine Rolle im Ukraine-Konflikt geführt hat, aufzubrechen.
- Auch Obama braucht Erfolge im Drama um das Bürgerkriegsland Syrien. Es könnte daher sein, dass sich die USA auf eine Zusammenarbeit mit Russland einlassen.
Im Jahr 2012 schickt US-Präsident Barack Obama seinen Sicherheitsberater Tom Donilon nach Moskau. Donilon soll dem designierten Präsidenten Wladimir Putin eine Botschaft überbringen: Obama möchte die Kooperation fortsetzen, die er mit Putins Vorgänger Dmitrij Medwjedew begonnen hat, den "Neustart" der Beziehungen. Als der Bote Obamas aber bei Putin Platz genommen hat, merkt er sofort, dass nun ein neuer, kälterer Wind weht. Putin, so berichtet es später die New York Times, eröffnet das Gespräch mit einer provozierenden Frage: "Und, wann fangen Sie an, Syrien zu bombardieren?"
Obama hat damals gar nicht die Absicht, sich in den syrischen Bürgerkrieg einzumischen, doch Putin ist nach dem Einmarsch der USA 2003 im Irak und nach der westlichen Intervention in Libyen 2011 überzeugt, dass Washington auch diesmal eingreifen und eine Regierung einsetzen möchte, die den USA genehm ist. Putin offenbart, wie sehr er den USA misstraut, ob unter Kriegspräsident George W. Bush oder Friedensnobelpreisträger Obama.
Russland schickt Panzer und Militärflugzeuge nach Syrien. Putin sagt, er wolle damit die Terrormiliz IS bekämpfen. Sonst nichts? Nahost-Experte Nikolay Kozhanov gibt Antworten. Interview
Seitdem hat sich das Verhältnis so verschlechtert, wie man es seit dem Kalten Krieg nicht kannte. Es gab die Kontroverse um den US-Whistleblower Edward Snowden, der in Moskau Asyl fand, es gab die Annektierung der Krim durch Russland und Putins kaum getarnte Intervention im Osten der Ukraine. Aber kein Konflikt hat die Beziehung zwischen Obama und Putin so kontinuierlich belastet wie der in Syrien - und keiner ist gleichzeitig so geeignet, beide Seiten wieder ins Gespräch zu bringen.
In Wahrheit ist der Westen genauso verzweifelt wie Putin
An diesem Montag sollen sich Obama und Putin in New York am Rande der UN-Generaldebatte treffen, es wäre das erste Mal seit fast einem Jahr. Bevor sie aber zur Sache - sprich: auf Syrien - kommen, möchten sie aber erst einmal den Verdacht zerstreuen, einer von ihnen habe dieses Treffen nötig. Das Weiße Haus hat erklärt, Putin habe "verzweifelt" um den Termin mit Obama gebeten. In Moskau hieß es daraufhin, die Amerikaner selbst hätten den Termin angeboten, und in Moskau schlage man Gesprächswünsche nie aus.
Russlands Präsident greift militärisch in den Syrien-Konflikt ein und niemand versteht seine Strategie. Das ist beunruhigend - von Russlands Verhalten hängt Syriens Zukunft ab.
Aber die Konstellation ist in Wahrheit ziemlich klar. Putin hat sich mit seinen Angriffen auf die Ukraine isoliert; der Westen hat Sanktionen gegen sein Land verhängt und ihn von den Showbühnen der G-8-Gipfel ausgeschlossen, Obama meidet ihn, hat ihn sogar als "Lümmel" und Chef einer "Regionalmacht" verhöhnt. Nun sucht Putin einen Weg, um von der Ukraine abzulenken. Er will wieder bei den großen Weltfragen mitreden und damit die Großmacht verkörpern, für die er Russland hält. Gerade lässt er eine Militärbasis nahe der syrischen Stadt Latakia ausbauen für den Kampf gegen die Terroristen des "Islamischen Staats" und bietet sich damit als Helfer jener Koalition aus 60 Ländern an, mit der Obama seit einem Jahr den IS im Irak und in Syrien bekämpft. Die russische Schützenhilfe ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass Obama sich wieder mit Putin blicken lässt.
Man mag dies als "verzweifeltes" Buhlen Putins deuten, aber in Wahrheit ist der Westen genauso verzweifelt - und Putin weiß genau, dass er die anderen am besten bei ihren Interessen packen kann. Obama lässt zwar verbreiten, er wolle beim Treffen mit Putin vor allem über die Ukraine reden, doch tatsächlich ist auch Syrien für ihn ein wachsendes Problem, allein aus moralischer Sicht. Er gerät wegen seiner Zurückhaltung in Syrien immer stärker in die Kritik, auch zu Hause. Obama sonnt sich zwar gerade in seinen Erfolgen - der Annäherung an Iran und Kuba -, aber er weiß auch, dass man die Passivität im syrischen Gemetzel eines Tages zu den Schattenseiten seiner Präsidentschaft zählen wird. Gleichzeitig setzen die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten Obamas europäische Verbündete immer mehr unter Druck.
http://www.sueddeutsche.de/politik/syrien-und-sie-brauchen-sich-doch-1.2666869
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